Artist's statement

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My work centres around the relationship between space, surface and line. I also explore different ways of creating spatiality. My focus is on the media of sculpture and drawing.

For the objects, I use a reduced, geometric vocabulary of forms and clear structures. The pieces revolve around the contrast between hermetic enclosure and the opening into the space, whereby they interact with it. The constructions are designed in such a way that the viewer is tempted to approach and move around them, whereupon new perspectives emerge.
Some of these aspects also define my works on paper. Using the tool of light-dark contrast, I create depth and volumes on the paper surface. The range of content varies between photorealism and complete abstractness.

The figurative works are often based on a kind of archaeology of the digital. This means working with digital content such as graphics, video stills, 3D models, text fragments, user interfaces, which I transform into pictorial phenomena and then formulate into drawings in the field of tension between manual hand drawing and the digital techniques of image creation.

In parallel, I create works whose spatiality does not require composition. The depth is generated by structures, overlays, transparency and small divergences in textures. Similar to the initiation of an algorithm, I set technical drawing parameters at the beginning and the drawing process brings the results thus created to light. In this way, the potential of the handmade is to be explored without striving for a genuine style or stroke.

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Mein Werk dreht sich um das Verhältnis von Raum, Fläche und Linie. Ferner untersuche ich unterschiedliche Methoden, um Räumlichkeit zu erzeugen. Mein Fokus liegt auf den Medien Bilderhauerei und Zeichnung.

Für die Objekte greife ich auf ein reduziertes, geometrisches Formenvokabular und klare Strukturen zurück. Die Arbeiten kreisen um den Kontrast zwischen hermetischer Abgeschlossenheit und der Öffnung in den Raum, wodurch sie mit Selbigem in Interaktion treten. Die Konstruktionen sind so angelegt, dass der Betrachter zum Nähertreten und der Bewegung um sie herum verleitet wird, woraufhin sich neue Perspektiven ergeben.
Einige dieser Aspekte bestimmen auch mein zeichnerisches Arbeiten auf Papier. Mit dem Mittel des Hell-dunkel-Kontrastes erzeuge ich auf der Papierfläche Tiefe und Volumina. Die Bandbreite der Bildinhalte changiert zwischen Fotorealismus und völliger Gegenstandslosigkeit.

Den figürlichen Arbeiten liegt oftmals eine Art Archäologie des Digitalen zugrunde. Dies bedeutet die Auseinandersetzung mit digitalen Inhalten wie Grafiken, Videostills, 3D-Modellen, Textfragmenten, Benutzeroberflächen, die ich in bildhafte Phänomene überführe und im Spannungsfeld zwischen manueller Handzeichnung und den digitalen Techniken der Bildfindung zu Zeichnungen ausformuliere.

Zugleich entstehen Arbeiten, deren Räumlichkeit ohne Komposition auskommt. Die Tiefenwirkung entsteht durch Strukturen, Überlagerungen, Transparenz und kleinen Abweichungen in Gefügen. Ähnlich der Initiierung eines Algorithmus, lege ich zu Beginn zeichentechnische Parameter fest und der Zeichenvorgang bringt die so angelegten Resultate zutage. Auf diese Weise soll das Potenzial des Handgemachten ausgelotet werden, ohne dabei einen genuinen Stil oder Strich anzustreben.

Isabelle Ryf

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The objects and drawings by Oliver Schuß invite the viewer to experience spatiality. At first, clear lines draw the eye and perhaps challenge it to balance. But when the gaze breaks away, it does not fall into a void, but into another space created by contrasts.
Tracing the inside and the outside, the viewer is seized by a quiet tension and realises: what protrudes into space is an object, but also a drawing. This drawing in space, like the drawing on paper, creates transitions into ever different spaces and thus permeability, but never disconnection.
Oliver Schuß intervenes gently but effectively in the viewer's understanding of space.

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Die Objekte und Zeichnungen von Oliver Schuß laden den Betrachter ein, Räumlickeit zu erfahren. Zunächst ziehen klare Linien den Blick auf sich und fordern ihn vielleicht zum Balancieren auf. Doch wenn der Blick sich löst, fällt er nicht in eine Leere, sondern in einen andere Raum, der durch Kontraste geschaffen wird.
Dem Innen und Aussen auf der Spur, wird der Betrachter von einer stillen Spannung erfasst und erkennt: Was in den Raum hineinragt, ist Objekt, aber auch Zeichnung. Diese Zeichnung im Raum schafft wie die Zeichnung auf Papier Übergänge in immer andere Räume und somit Durchlässigkeit, nie aber Trennung.
Oliver Schuß interveniert behutsam, aber nachhaltig in das Raumverständnis des Betrachters.

Melanie Ardjah
Catalogue Text for “Der unaufhaltsame Aufstieg von Draufgängern und Flaschen” (Städtische Galerie Karlsruhe, 2010).

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The artist's works formulate their own spaces. Open and closed forms and volumes that separate themselves from the surrounding environment and at the same time turn towards it are at the centre of his works.
The objectivity, the geometric structures, the negation of the personal handwriting and the reduction refer at the same time to principles of minimal art. Oliver Schuß works with line and surface, with edges, kinks, grooves and nested structures.
The objects thus allow glimpses and at the same time close themselves off in an exciting way.

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Die Werke des Künstlers formulieren eigene Räume. Offene und geschlossene Formen und Volumina, die sich vom umgebenden Raum abgrenzen und sich ihm zugleich hinwenden, stehen im Zentrum seiner Arbeiten.
Die Objektivität, die geometrischen Strukturen, das Negieren der persönlichen Handschrift und die Reduktion verweisen zugleich auf Prinzipien der Minimal Art. Oliver Schuß arbeitet mit Linie und Fläche, mit Kanten, Knicken, Rillen und ineinander verschachtelten Formen.
Die Objekte gewähren dadurch Einblicke und verschließen sich zugleich auf spannungsvolle Weise.

Anna Grosche
Text for open studios at Atelierhaus des Bonner Kunstvereins, 2018

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Vier lebensgroße Y-förmige Aluminiumstangen streben empor Richtung Decke, überragen mich. In regelmäßigem Abstand lehnen die identischen Stäbe an der Wand. Die kurzen Metallzweige stechenoberhalb meines Kopfes beinah angriffslustig in den Raum hinein, scheinen ihn heraus zu fordern. Dennoch herrscht eine spürbare Balance zwischen Raum und Werk. Eine Futterkrippe in ihrer wohl stärksten Abstraktion. Die klar definierte, einfache Form, die mit geringen Mitteln Volumen schafft, weckte Oliver Schußs Interesse. Durch die hoch angesetzten Gabelungen entzieht sich die Krippe jeglichen Gebrauchs. Scharfkantige Linien konturieren die einzelnen Flächen und unterstreichen somit die unregelmäßigen Oberflächen, den Lichteinfall und den Schattenwurf auf dem matt glänzenden Material. Wechselt der Betrachter die Perspektive, gewinnt die statische Komposition zusätzlich an Dynamik. Eine Verchromung der einzelnen Elemente soll den spiegelnden Effekt verstärken und so künftig den Betrachter in das Werk einschließen.

Die vorausgehende, vergleichbare Arbeit mit dem Titel „????“, 2017, besteht aus einer ähnlichen Y-Konstruktion, welche sich jedoch dem Betrachter entgegenlehnt und dabei den Eindruck erweckt, jeden Moment in den Ausstellungsraum zu kippen. Die Installationen agieren im Wechselspiel mit dem Raum und erzeugen so eine wahrnehmbare Spannung.
Beide Arbeiten sind beispielhaft für Schußs Werk. Wichtig ist ihm, dass seine Objekte ihre Autonomie behalten und sich dem Raum, welcher Teil des Werks wird, gegenüber behaupten können. Der Künstler ist daher stets auf der Suche nach der perfekten Form. Ungewöhnlicher ist die Größe der Installationen. Das große Format ermöglicht Betrachtenden und Kunstwerk eine Begegnung auf gleicher Höhe, wohingegen die meist kleinformatigen Arbeiten den Besucher dazu einladen, näher zu treten. Die Intimität, die dabei entsteht, ist für Oliver Schuß besonders bedeutsam.

Eröffnet das Umgehen der dreidimensionalen Werke neue Perspektiven, so geschieht dasselbe bei der Annäherung an seine Zeichnungen. Der Künstler spielt hier mit der Wahrnehmung der Rezipienten. Ein kleines Viereck in der unteren Hälfte eines leeren Blattes. Die dunklen Streifen heben das Quadrat vom weißen Grund ab und erzeugen eine Illusion von Bewegung ähnlich der eines Barber Poles, welcherin den USA traditionell an den Außenwänden von Barbershops angebracht wird. Tritt man näher, erkennt man einen gezeichneten, dreimal geknickten Strohhalm, dessen vorderes Ende horizontal auf einem unsichtbaren Grund liegt. Im eckigen Bogen ist der Halm aufgestellt, das andere Ende knickt nach hinten ab. Daneben die Zeichnung „Strohhalm I“, 2017: eine geknickte dunkle Linie mit weißen Punkten, abfallend und aufsteigend wie bei einem Kurvendiagramm. Auch hier offenbart sich die wahre Form erst in direkter Nähe.

Die kleinformatigen Motive erhalten auch auf dem Papier ihren Raum, allerdings einen schwerelosen ohne Tiefe und Halt. Trotzdem wirken die fotorealistisch gezeichneten Objekte darin keineswegs flach oder zweidimensional. Ähnlich wie bei Schußs Installationen verspürt man den Wunsch, die Strohhalm-Konstruktionenumrunden zu können, um sie von allen Seiten zu erfassen. Andere Arbeiten bringen einen zum Schmunzeln, wie die im Bildraum schwebende, zur Hälfte geschälte Banane, welche sich als Anspielung auf Marilyn Monroe und ihr hoch wehendes Kleid lesen lässt.

Neben den gegenständlichen finden sich auch abstrakte Zeichnungen in seinem Werk. Hierzu gehört die „px“-Serie, die Anklänge zur Konkreten Kunst aufweist und sich auf technisch generierte Pixel bezieht. Das dichte Raster in welchem die unterschiedlichen Pixel angelegt sind, wird von einem unsichtbaren Rahmen begrenzt. Beim Füllen der Kästchen folgt Oliver Schuß keinem vorgefertigten Plan, sondern entwickelt die Komposition im Verlauf des Zeichenprozesses. Spielerisch füllt er die Kästchen nacheinander aus, lässt sie frei, zeichnet weiche Übergänge und harte Kanten. Damit unterwandert er gekonnt den Anschein einer digital berechneten Struktur und erschafft stattdessen ein freies Formenspiel.

Stellt die Linie genuin ein charakteristisches Merkmal der Zeichnung dar, so verschwindet sie in Oliver Schußs Zeichnungen vollkommen und findet in seinen Wandinstallationen die pointierte Freisetzung ihres Potenzials.